Gruppentherapie

Die meisten Patienten, die sich für eine Psychotherapie interessieren, denken in erster Linie an eine Einzeltherapie. Gruppentherapie scheint heutzutage eher wenig populär zu sein, wofür es mehrere Gründe geben könnte, wie die Angst, sich vor anderen zu blamieren oder nicht genügend Aufmerksamkeit zu bekommen.

Ich gehe aber davon aus, dass viele Ressentiments ihren Ursprung darin haben, dass es von den Möglichkeiten der Gruppentherapie wenig Vorstellungen gibt. Aus diesem Grund möchte ich Ihnen einige Informationen zur Verfügung stellen.


Der Kern der Gruppentherapie ist, wie bei anderen aufdeckenden Methoden im Einzelsetting auch, das Analysieren und Verstehen unbewusster seelischer Abläufe. Diese entstehen im Laufe des Lebens und führen zu Erlebens- und Verhaltensweisen nach mehr oder weniger festgelegten Mustern. Diese Muster, die früher unter Umständen sinnvoll waren, werden im späteren Leben oft störend und einengend und verursachen häufig psychische, soziale oder psychosomatische Probleme.

Nach der gängigen Theorie entstehen die genannten problematischen Muster in sozialen Beziehungen, und zwar meist in der Gruppe unserer Herkunftsfamilie. Es ist eine Vereinfachung zu glauben, eine isolierte Beziehung sei kausal für psychische Probleme verantwortlich zu machen, die Entwicklung des Menschen spielt sich immer in Gruppen ab. Deshalb ist eine Gruppe auch der geeignetste Ort für die Bearbeitung dieser Probleme und Muster.
 

Grundsätze der Gruppenarbeit

In der Gruppentherapie versuchen wir, gemeinsam mit anderen Teilnehmern diesen unbewussten Mustern auf die Spur zu kommen, deren Entstehungsbedingungen und ihre Auswirkungen auf unsere heutigen, sozialen Situationen zu verstehen. Dazu steht mit der Gruppe ein Modell einer sozialen Umgebung zur Verfügung, in dem sich die Auswirkungen innerer Konflikte sehr deutlich aufzeigen lassen. Es steht quasi eine „Probebühne“ zur Verfügung, auf der wir uns nicht nur sehr gut selbst erforschen können, sondern auch andere Muster im geschützten Rahmen ausprobieren können.

Zu der therapeutischen Gruppe treffen sich zwischen sechs und neun Teilnehmer in der Regel einmal wöchentlich für 100 Minuten. Kern der Arbeit ist der freie Austausch zwischen den Teilnehmern über das, was sie gerade in ihrem Leben bewegt und besonders über das, was während der Gruppensitzung in ihnen vorgeht. Dazu darf und soll sich jeder Teilnehmer möglichst frei und unzensiert äußern. Alles, was Ihnen während der Sitzung durch den Kopf geht, darf und soll gesagt werden, auch, wenn es in anderen Situationen gegen Konventionen verstoßen oder aus anderen Gründen nicht gesagt werden würde. Dies ist für viele Anfangs sicher ungewöhnlich, führt aber dazu, sich in neuem Licht erleben zu können. Dies hilft dabei neue Möglichkeiten zu entdecken, mit schwierigen Gefühlen und Impulsen umzugehen, die bisher oft in Sackgassen geführt haben.

Eine unverzichtbare Voraussetzung für die Arbeit in einer Gruppe ist Vertrauen zwischen den Teilnehmern. Dazu wird vor Beginn der Teilnahme eine strenge Verschwiegenheitspflicht vereinbart. Auch sollen die Teilnehmer keinen Kontakt zueinander außerhalb der Gruppensitzungen haben. Diese Vereinbarung dient dazu, sich in der Gruppensituation möglichst frei und ohne Rücksicht auf äußere Bedingtheiten begegnen zu können. Wenn es dennoch zu Kontakten außerhalb der Gruppe kommt, soll dies in der Gruppe zum Thema gemacht werden.

Eine wichtige Voraussetzung für einen konstruktiven Prozess stellt die kontinuierliche Teilnahme an den Sitzungen dar. Dies bedeutet, dass der einzelne Teilnehmer der Gruppe den Vorrang vor vielen anderen Dingen einräumt.
 

Es kann schwierig werden! 

Die therapeutische Arbeit in einer Gruppe ist nicht einfach. Es wird viel Gewohntes und Haltgebendes in Frage gestellt, bisher vermiedene und abgewehrte Gefühle, Wünsche, Befürchtungen und Phantasien werden aktiviert. Oft können sich dadurch Probleme verschlechtern, was aber daher rührt, dass diese Probleme aufgedeckt werden und nicht daher, dass diese erst durch die Arbeit entstünden! Es ist also verständlich, dass die therapeutische Arbeit manchmal auch Angst machen kann. Diese Ängste sollen nicht vermieden werden, sondern in der Gruppe möglichst offen angesprochen werden.

Eine wichtige Voraussetzung beim einzelnen Teilnehmer ist daher der Mut, sich mit schwierigen Dingen an sich selbst auseinander zu setzen, die Bereitschaft zu gegenseitiger Offenheit und der Wunsch etwas Neues über sich heraus zu finden. Diese Fähigkeiten brauchen oft erst Zeit, um wachsen zu können.

Veränderungen brauchen Zeit! Wie bei anderen aufdeckenden Therapieverfahren, die auf dauerhafte Veränderungen abzielen und nicht nur die kurzfristige Reduktion von Symptomen bezwecken, ist für den therapeutischen Prozess Zeit nötig. Es ist sinnvoll, sich auf mehrere Jahre der Arbeit in einer Gruppe einzustellen.

Natürlich entstehen in schwierigen und erst mal unlösbar erscheinenden Situationen Fluchtgedanken. Dies gilt auch für problematische Situationen in der Gruppentherapie. Es ist aber sehr sinnvoll, diesen Impulsen nicht gleich nachzugeben, sondern in der Gruppe zu thematisieren. Oft ermöglichen uns die Situationen, die uns zuerst am aller schwierigsten vorkommen, die wichtigsten Einsichten.

Möglicherweise gibt es die Vorstellung, die Arbeit in der Einzeltherapie wäre nicht so schwierig und der leichtere Weg raus aus seinen Problemen. Gerade zu Beginn einer Therapie denkt man oft, es sei eine Lösung, wenn sich der Therapeut möglichst intensiv um den Patienten kümmert. Erfahrungsgemäß ist dies aber eine Illusion. Auch die Einzeltherapie wird schwierig, wenn es um wirkliche Veränderungen und die Konfrontation mit bisher verdrängten Anteilen der eigenen Person geht. Dann ist eine Einzeltherapie überhaupt nicht einfacher als die Gruppentherapie.


Pragmatischer Aspekt

Zuletzt soll noch auf die pragmatischen Vorteile von Gruppentherapie hingewiesen werden. Einerseits ist in der Regel die Wartezeit auf einen Behandlungsplatz in der Gruppe deutlich kürzer als in der Einzeltherapie. Andererseits sind die Kosten für die Gruppentherapie deutlich geringer als für eine Einzelbehandlung. Dies kommt spätestens dann zum Tragen, wenn keine Kostenübernahme durch die Krankenkasse mehr erfolgt und der therapeutische Prozess noch nicht zum Abschluss gekommen ist. Eine Gruppentherapie ist in der Regel ohne größere Probleme auch für Selbstzahler leistbar, was für eine Einzeltherapie nicht immer der Fall ist.

 

Die Angst vor der Gruppe.... 

… ist erst mal etwas ganz Normales. Die allermeisten Menschen begegnen dem Gedanken, sich vor anderen Menschen mit intimen Dingen aus ihrem Leben zu beschäftigen, mit Zurückhaltung und Ressentiments. Das Vertrauen in die Gruppe braucht Zeit zu wachsen, sie müssen nicht in der ersten Stunde ins eiskalte Wasser springen. Und: Den anderen Teilnehmern geht es zu Beginn der Gruppe ähnlich!

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© M. Sc. Psych. Enne Floß. Alle Rechte vorbehalen.

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